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Die Einbeziehung des Luftverkehrs in internationale Klimaschutzprotokolle (AviClim) - Abschlussbericht

Scheelhaase, Janina und Dahlmann, Katrin und Jung, Martin und Keimel, Hermann und Murphy, Melanie und Nieße, Hendrik und Sausen, Robert und Schaefer, Martin und Wolters, Florian (2015) Die Einbeziehung des Luftverkehrs in internationale Klimaschutzprotokolle (AviClim) - Abschlussbericht. DLR-Forschungsbericht. DLR e. V.. 191 S.

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Kurzfassung

1. AviClim Problemstellung Der globale Luftverkehr ist ein kontinuierlich wachsender Wirtschaftssektor. Gleichzeitig trägt der Luftverkehr zum anthropogenen Klimawandel bei. Zu den klimarelevanten Emissionen gehören neben Kohlendioxid auch Stickoxide, Schwefeloxide, Wasserdampf, Ruß, Kon-densstreifen und Zirren. Seit dem Jahr 1990 ist ein kontinuierlicher Anstieg der verkehrsbedingten Kohlendioxid- (CO2) und anderen klimarelevanten Emissionen wie Stick- (NOx) und Schwefeloxide (SOx), Wasserdampf (H2O), Ruß, Kondensstreifen und Zirren zu verzeichnen (Sausen et al., 2005). Im Jahre 2005 trugen die weltweiten CO2-Emissionen des Luftverkehrs zu etwa 1,6 % zum gesamten Strahlungsantrieb bei (Lee et al., 2009). Berücksichtigt man zusätzlich die übrigen Klimaeffekte des Luftverkehrs, lag dieser Wert mit etwa 4,9 % sogar dreimal so hoch (Lee et al., 2009). In Anbetracht des für die kommenden Jahre erwarteten kontinuierlichen Wachstums des Luft-verkehrs in Höhe von 3 bis 6 % p. a. je nach Weltregion (vgl. hierzu z. B. Airbus, 2013), erscheint es dringend erforderlich, Maßnahmen zur Begrenzung der gesamten klimarelevanten Emissionen des Luftverkehrs zu ergreifen. Das vom Bundesministerium für Bildung und For-schung (BMBF) geförderte Projekt „AviClim“ („Including Aviation in International Protocols for Climate Protection“) hat die Machbarkeit der Einbeziehung aller klimarelevanten Emissionen des Luftverkehrs in internationale Klimaschutzprotokolle und die damit verbundenen ökonomischen und ökologischen Effekte analysiert. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) e. V. hat diese Untersuchung im Zeitraum 10/2011 – 03/2015 durchgeführt. 2. Methodischer Ansatz Im Rahmen von AviClim wurden verschiedene umweltökonomische Instrumente und operatio-nelle Maßnahmen, alternative Metriken zur Quantifizierung der Klimaeffekte insbesondere der Nicht-CO2-Emissionen des Luftverkehrs sowie unterschiedliche Szenarien der internationalen Umsetzung von klimaschützenden Maßnahmen analysiert. Im Detail analysiert wurden die klimapolitischen Maßnahmen: - Klimasteuer, d. h. eine Steuer auf die CO2- und die klimarelevanten Nicht-CO2-Emissionen des Luftverkehrs; - NOX-Entgelt kombiniert mit einem CO2-Emissionshandel und einfachen operationellen Maßnahmen („Tiefer Fliegen“) zur Vermeidung von Kondensstreifen und Zirren; - Emissionshandel für die CO2- und die klimarelevanten Nicht-CO2-Emissionen des Luftverkehrs. Die einzelnen klimarelevanten Gase haben eine unterschiedliche Verweildauer in der Atmosphäre: Während CO2 eine Lebenszeit von bis zu 100 Jahren aufweist, reicht die Lebenszeit anderer Klimagase von wenigen Stunden (lineare Kondensstreifen) bis hin zu einigen Jahren bzw. Jahrzehnten. Wenn der gesamte Klimaeffekt des Luftverkehrs mit Hilfe eines Instruments reguliert werden soll, müssen die Klimawirkungen der einzelnen Nicht-CO2-Spezies in Relation zur Klimawirkung von CO2 gestellt werden. Hierzu wurde im Rahmen von AviClim die Metrik ‚Average Temperatur Response (atr)‘ mit einem Zeithorizont von 20 Jahren (atr 20) sowie alternativ 50 Jahren verwendet (atr 50). Bei einem relativ kurzen Zeithorizont von 20 Jahren werden die Wirkungen der kurzlebigeren Klimagase, wie z. B. NOX oder Kondensstreifen, stärker berücksichtigt; ein Betrachtungszeitraum von 50 Jahren erlaubt wiederum eine etwas stärkere Gewichtung der langlebigeren Klimagase, insbesondere von CO2. 3. Wesentliche Ergebnisse Klimapolitische Maßnahmen entfalten unterschiedliche Wirkungen sowohl hinsichtlich der ökonomischen als auch ökologischen Folgen. Für die Politik ist daher zunächst eine klare Definition des gewünschten Ziels hinsichtlich der zu erreichenden Reduktion der Klimaänderung und einer akzeptablen monetären Belastung des Luftfahrtsektors wichtig. Die AviClim-Modellierungsergebnisse belegen, dass unter den getroffenen Annahmen das Instrument eines globalen Emissionshandels auf alle klimarelevanten Substanzen mit der Möglichkeit, CO2-Zertifikate aus anderen Sektoren zu kaufen, den Instrumenten eines NOX-Entgelts und einer Klimasteuer überlegen ist. Durch ein NOX-Entgelt werden die NOX-Emissionen eines Fluges preislich belastet. Zusätzlich werden bei diesem Instrument ein CO2-Emissionshandel und operationelle Maßnahmen zur Vermeidung von Kondensstreifen und Zirren eingeführt. Durch eine Klimasteuer wiederum werden alle klimarelevanten Emissionen des Luftverkehrs mit einer Steuer belastet. Die AviClim-Ergebnisse unterstreichen die Erkenntnisse der umweltökonomischen Theorie, die besagen, dass Emissionsrechtsmodelle sowohl zu den volkswirtschaftlich betrachtet geringsten Vermeidungskosten für Emissionen führen als auch die Umsetzung eines bestimmten ökologi-schen Ziels sicher gewährleisten. Gleichwohl zeigen die Erfahrungen auf internationaler Ebene, dass die Umsetzung dieser Erkenntnisse in die Praxis mit sehr großen Schwierigkeiten behaftet ist. So wurde im Rahmen der 38. Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO im Jahr 2013 die Einführung einer markbasierten Maßnahme (MBM) zur Limitierung der CO2–Emissionen des internationalen Luftverkehrs bis zum Jahr 2020 (ICAO, 2013) beschlossen. Sowohl Emissionshandelssysteme als auch die zur Zeit intensiv diskutierten Offsetting-Systeme, bei denen Emissionseinsparungen („Offsetts“) gehandelt werden, sind hierbei prinzipiell geeignet. Die Verhandlungen zur Einführung eines globalen CO2-Handelssystems für den Luftverkehr gestalten sich jedoch äußerst langwierig und schwierig. Gründe für die Vorteilhaftigkeit des Emissionshandels im Rahmen der AviClim-Untersuchung sind einerseits die z. T. deutlich niedrigeren Gesamtkosten sowie relativ geringen Wettbewerbsverzerrungen und Rückgänge der Erwerbstätigenzahlen im Vergleich zu einer Entwicklung ohne klimapolitische Maßnahmen. Andererseits können durch den Emissionshandel signifikante Einsparungen an Klimagasen und positive Klimawirkungen realisiert werden. Beispielsweise könnte die Klimawirkung des Luftverkehrs im Jahr 2100 unter den Annahmen des ‚High Price Scenarios‘ im Szenario „World“ um bis zu 70% im Vergleich zu einer Business-as-usual-Entwicklung reduziert werden. Das ‚High Price Scenario‘ nimmt an, dass die Preise für CO2-Äquivalente von 10 USD/t CO2-Äquivalent im Jahr 2010 auf 80 USD/t CO2-Äquivalent im Jahr 2030 steigen werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese ökologischen Effekte ganz überwiegend durch Zukäufe von Emissionsrechten von stationären Sektoren, also nicht durch Reduktionsleistungen des Luftverkehrs selbst erzielt werden. Die Zurechnung der Zukäufe zu den Einsparungen an klimarelevanten Emissionen des Luftverkehrs ist dann sachlich geboten, wenn die Nachfrage des Luftverkehrssektors nach Emissionsrechten in anderen Wirtschaftsbereichen Impulse zu zusätzlichen Reduktionsmaßnahmen setzt und damit zu einem zusätzlichen Angebot an diesen Rechten führt. Mit Blick auf die sehr hohen zusätzlichen Vermeidungskosten des Luftverkehrssektors für klimarelevante Emissionen spricht vieles dafür, dass der Luftverkehrssektor höhere Preise für Emissionsrechte zu zahlen bereit sein wird als andere Emittentengruppen. Aufgrund dessen erscheint es plausibel, dass die Zukäufe des Luftverkehrssektors an Emissionsrechten zu zusätzlichen Emissionseinsparungen bei anderen Emittenten führen werden. Eine weltweite Einführung von klimapolitischen Maßnahmen ist aus ökologischer Sicht am sinnvollsten; eine Beschränkung auf die sog. „Great Aviation Countries“ bzw. „Annex-I-Countries“ hat jedoch fast den gleichen ökologischen Nutzen. Dies liegt daran, dass in diesen geopolitischen Szenarien mehr als 90 Prozent der weltweit durchgeführten Flüge unter das jeweilige klimaschützende Instrument fallen würden. Das im Rahmen von AviClim entworfene geopolitische Szenario „Great Aviation Countries“ nimmt an, dass die wichtigsten Akteure im internationalen Luftverkehr zu den Unterstützerstaaten der jeweiligen klimapolitischen Maßnahme zählen. Hierzu gehören unter anderem: Die EU, die USA, Kanada, Südkorea, Japan, Singapur, China, Brasilien und die Golfstaaten. Im geopolitischen Szenario „Annex-I-Countries“ wird hingegen angenommen, dass alle Annex-I-Staaten plus Brasilien, Russland, Indien und China das jeweilige klimapolitische Instrument einführen werden. Eine weltweite Einführung führt zu den geringsten Wettbewerbsverzerrungen, ist aber vermutlich politisch schwerer umzusetzen als eine Beschränkung auf „Great Aviation Countries“ oder „Annex-I-Countries“. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, in einer möglichst großen Zahl von Staaten rasch klimaschützende Maßnahmen im Luftverkehr einzuführen, anstatt auf eine weltweite Lösung zu warten. Aus wettbewerbspolitischer Sicht ist hierbei wichtig, dass die Staaten, aus denen die wichtigsten Fluggesellschaften der Welt stammen, bei einem solchen Ansatz von Anfang an teilnehmen. Andernfalls sind erhebliche Wettbewerbsverzerrungen im Luftverkehrsmarkt zu befürchten. Prohibitiv hohe Preise pro CO2-Äquivalent führen bei einer überproportional zurückgehenden Nachfrage nahezu zu einem Zusammenbruch des Luftverkehrs und damit zum Wegfall seiner positiven gesellschaftlichen und ökonomischen Effekte. Dies haben die AviClim-Modellierungs-ergebnisse belegt. Insbesondere die Kombination der Metrik atr 20, die die Temperaturänderung über einen Zeithorizont von 20 Jahren abschätzt, hoher Preise für CO2-Äquivalente (z. B. 80 USD pro Tonne CO2-Äquivalent im Jahr 2030) und einer angenommenen sehr deutlichen Nachfragereaktion (Preiselastizität von -2,1), die zu einer überproportional zurückgehenden Luftverkehrsnachfrage führt, wirkt sich sehr ungünstig auf die Umsätze, die Beschäftigung und die Luftverkehrsentwicklung aus. So würde unter diesen Annahmen die Beschäftigung (direkte und indirekte Effekte) im Weltluftverkehr von knapp 8 Millionen Beschäftigten in der Business-as-usual-Entwicklung im Jahr 2030 auf nur noch 359.000 Beschäftigte zurückgehen. Unter der Annahme der Metrik atr 50, die die Temperaturänderung für einen Zeithorizont von 50 Jahren abschätzt, und von niedrigeren Preisen für CO2-Äquivalente ist dies nicht der Fall. Hier ist die Politik aufgefordert, durch die Setzung von Rahmenbedingungen eine sowohl aus ökologischer als auch aus ökonomischer und sozialer Sicht nachhaltige Entwicklung im Luftverkehr zu gewährleisten.

elib-URL des Eintrags:https://elib.dlr.de/96172/
Dokumentart:Berichtsreihe (DLR-Forschungsbericht)
Titel:Die Einbeziehung des Luftverkehrs in internationale Klimaschutzprotokolle (AviClim) - Abschlussbericht
Autoren:
AutorenInstitution oder E-Mail-AdresseAutoren-ORCID-iDORCID Put Code
Scheelhaase, Janinajanina.scheelhaase (at) dlr.deNICHT SPEZIFIZIERTNICHT SPEZIFIZIERT
Dahlmann, KatrinKatrin.Dahlmann (at) dlr.dehttps://orcid.org/0000-0003-3198-1713NICHT SPEZIFIZIERT
Jung, Martinm.jung (at) dlr.dehttps://orcid.org/0000-0002-1860-297XNICHT SPEZIFIZIERT
Keimel, Hermannhermann.keimel (at) dlr.deNICHT SPEZIFIZIERTNICHT SPEZIFIZIERT
Murphy, Melaniemelanie.murphy (at) dlr.deNICHT SPEZIFIZIERTNICHT SPEZIFIZIERT
Nieße, Hendrikhendrik.nieße (at) dlr.deNICHT SPEZIFIZIERTNICHT SPEZIFIZIERT
Sausen, Robertrobert.sausen (at) dlr.dehttps://orcid.org/0000-0002-9572-2393NICHT SPEZIFIZIERT
Schaefer, Martinmartin.schaefer (at) dlr.de - ATNICHT SPEZIFIZIERTNICHT SPEZIFIZIERT
Wolters, Florianflorian.wolters (at) dlr.deNICHT SPEZIFIZIERTNICHT SPEZIFIZIERT
Datum:März 2015
Referierte Publikation:Nein
Open Access:Ja
Seitenanzahl:191
ISSN:1434-8454
Status:veröffentlicht
Stichwörter:Luftverkehr, klimarelevante Emissionen, Metriken, marktwirtschaftliche Instrumente,
Institution:DLR e. V.
Abteilung:Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr
HGF - Forschungsbereich:Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr
HGF - Programm:Verkehr
HGF - Programmthema:Verkehrssystem
DLR - Schwerpunkt:Verkehr
DLR - Forschungsgebiet:V VS - Verkehrssystem
DLR - Teilgebiet (Projekt, Vorhaben):V - Verkehrsentwicklung und Umwelt II (alt)
Standort: Köln-Porz
Institute & Einrichtungen:Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr > Luftverkehrsforschung
Institut für Antriebstechnik
Institut für Physik der Atmosphäre
Hinterlegt von: Scheelhaase, Janina
Hinterlegt am:13 Mai 2015 14:10
Letzte Änderung:28 Mär 2023 23:43

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