Temme, Marco-Michael und Döhler, Hans-Ullrich und Röde, Bernd und Schnell, Michael und Schreckenbach, Frank und Kohrs, Ralf und Gerz, Thomas und Holzäpfel, Frank und Weber, Christian und Mühlhausen, Thorsten und Thölert, Steffen und Robertson, Patrick und Krach, Bernhard und Jost, Thomas und Strang, Thomas und Wendland, Kai und Hammesfahr, Jens (2007) ATM-Technik in Gegenwart und Zukunft. DLR-Interner Bericht. DLR-IB 112-2007/28. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt. 274 S.
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Kurzfassung
Die aktuellen Prognosen über das Wachstum des weltweiten zivilen Flugverkehrs gehen von einem jährlichen Wachstum von 3% bis 5% aus. Bei dieser Entwicklung wird die Luftfahrt insbesondere in Europa in den nächsten Jahren an die Grenzen der heutigen Flughafen- und Air Traffic Management-Kapazität stoßen. Um den stark wachsenden Luftverkehr effizienter, umweltfreundlicher und nachhaltiger gestalten zu können, werden in naher Zukunft vorhandene Techniken erweitert und verfeinert und darüber hinaus grundlegend neue Technologien und Verfahren entwickelt werden müssen. Sowohl in der Steuerung und Überwachung am Boden als auch in der Luft geht die Tendenz in Richtung Automatisierung. Dabei lassen sich aber auch teilweise gegenläufige Entwicklungen beobachten, deren Ausgang nicht nur durch den technologischen Fortschritt, sondern auch durch politische und gesellschaftliche Zielset-zungen beeinflusst sein werden. Aus technologischer Sicht wäre ein sich selbst organisierender Luftraum denkbar, bei dem sich alle Luftfahrzeuge innerhalb eines Sektors sowie in dessen unmittelbaren Umfeld miteinander auf konfliktfreie abzufliegende Trajektorien und Zielzeiten einigen. Anders herum ist es jedoch auch möglich, dass das Cockpit vollkommen automatisiert wird, sodass wir nur noch UAVs haben, die durch Lotsen mit entsprechenden Planungssystemen und Data Link Funktionalitäten gesteuert werden. Im vorliegenden Bericht "ATM-Technik in Gegenwart und Zukunft" sind mögliche Szenarien der ATM-Technologieentwicklung mit unterschiedlichen Zeithorizonten dargestellt. Anhand von Literaturbeispielen werden Zukunftsszenarien unterschiedlicher Schwerpunktthemen im Arbeits-, Entwicklungs- und Forschungsbereich des Air Traffic Managements vorgestellt. Bei der Be-trachtung der aus unserer Sicht wichtigsten technologischen ATM-Aspekte der nächsten zwei Dekaden hat sich das DLR auf folgende Schlüsseltechnologien und ihre Vernetzungen untereinander konzentriert, die wahrscheinlich wichtige Funktionen im Bereich Luftfahrt dar-stellen werden. Das erste inhaltliche Kapitel beschäftigt sich mit dem Konzept eines kooperativen Luftverkehrsmanagement-Systems. Es beleuchtet dazu die Ziele von SESAR mit Ansichten und Einschätzungen zum Thema "Single European Sky". Im Abschnitt über zeitgenaue Trajektorien werden die Grundlagen moderner ATM-Planungs- und Managementsysteme beschrieben, die für die Zukunft von einer komplett durchgeplanten Business-Trajektorie ausgehen, anhand derer alle Zustandsparameter eines Luftfahrzeugs mit einer zeitlich hohen Präzision geplant und nachvollzogen werden können. Mit einem taktischen Planungshorizont von wenigen Stunden werden diese Trajektorien heute von Anflug- und Abflugplanungssystemen (AMAN und DMAN) sowie deren Koordination untereinander und mit weiteren Planungsmanagern durchgeführt. Zusätzlich wird mit einem Wirbelschleppenbeobachtungs- und –vorhersagesystem eine konkrete Anwendung beschrieben, bei der aktuelle meteorologische Vorhersagen einen signifikanten Einfluss auf die Planungsparameter eines Anflugplanungssystems haben. Als erste Anwendung geplanter Trajektorien werden im nächsten Abschnitt die internationalen Versuche zu Tailored Arrivals beschrieben, in denen Luftfahrtzeuge die Möglichkeit erhalten, entlang zuvor berechneter und ausgehandelter "User-prefered Trajectories" Anflüge durchzuführen. Der zweite behandelte Themenkomplex befasst sich mit dem Konzept eines "Total Airport Management", wie es heute von der Eurocontrol, der FAA und dem DLR gesehen wird. Als informationstechnische Grundlage dafür wird hier die Idee eines "System Wide Information Managements" vorgestellt, mit dessen Hilfe alle "Stakeholder" im Bereich ATM Informationen austauschen, um auf deren Basis Entscheidungen im komplexen Situationen schneller und präziser fällen zu können. Dazu wird aber nicht nur die reine Information als solche, sondern auch deren entsprechende Filterung und Aufbereitung benötigt, wie sie in naher Zukunft von "Total Operations Plannern" durchgeführt werden könnten. Diese befinden sich wahrscheinlich auf einem zentralen Server in einem Airport Operations Center, dem zukünftigen Leitstand eines jeden großen Flughafens. Lageberichte werden dort in Zusammenarbeit mit Ver-tretern aller beteiligten Unternehmen erstellt, welche durch einen Traffic Monitor im Flughafenleitstand und über Netzwerke in den Leitständen der Fluggesellschaften visualisiert können. Abschließend werden mit deren Hilfe Entscheidungen in einem "Collaborative Decision Making" Prozess getroffen. Doch nicht nur in der Luft sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht worden, auch am Boden kann die Rollführung durch "Advanced Surface Management and Guidance Systems" eine deutliche Erhöhung des Durchsatzes und Verbesserung der Verkehrssicherheit erreichen. Durch den Einsatz von Virtual Reality Technologien, Telepräsenz, multimodaler Mensch-Maschine-Schnittstellen und Datenfusion aus unterschiedlichen Informationsquellen soll eine Reduzierung der Wetterabhängigkeit und verbesserte kooperative Entscheidungsprozesse zwischen den beteiligten Agenten in einem "Virtuellen Tower" ermöglicht werden. Dessen Vision beschreibt eine Leitzentrale zur Len-kung des Flugverkehrs im Flughafenbereich ohne direkte Außensicht und Turm-Bauwerk. Doch nicht nur am Boden erwarten wir eine fortschreitende Automatisierung von sicherheits-relevanten Routinetätigkeiten. Auf der Grundlage der "Required Navigation Performance", in der von der ICAO die Mindeststandards für eine „Area Navigation“ festgelegt wurden, können sich entsprechend ausgerüstete Luftfahrzeuge auf selbst festgelegten Routen im Luftraum bewegen. Insbesondere in der Start- und Landephase wird ihnen durch "Enhanced Vision Technologien" eine spezielle Hilfe gegeben, bei denen durch Überlagerung von Ka-merabildern unterschiedlicher Frequenzspektren den Piloten auch bei sehr ungünstigen Sichtbedingungen eine detaillierte Außensicht ermöglicht wird. Doch die Automatisierung an Bord wird nach unserer Einschätzung noch deutlich weiter gehen. So ist nicht auszuschließen, dass in einer ferneren Zukunft der Arbeitsplatz eines Piloten entweder auf den Boden verlagert oder komplett durch einen Autopiloten mit 4D-FMS ersetzt wird. Zumindest im Be-reich der Cargo-Luftfahrt ist dies ein vorstellbares Einsatzgebiet für derzeitig in der Entwicklung befindliche "Unmanned Aerial Vehicles". Bis diese jedoch im zivilen Luftverkehr routi-nemäßig eingesetzt werden können, müssen neue und verbesserte Sensoren für einen sicheren Einsatz dieser pilotenlosen Luftfahrzeuge entwickelt, getestet und zertifiziert werden. Nicht nur bei den UAV, ist eine Erweiterung der vorhandenen Kommunikation, Navigation und Überwachung des Luftraumes erforderlich. Diese Thematik haben wir in einem weiteren Kapitel aufgegriffen und eine Einschätzung dieser Technologien für die nächsten Jahre versucht. Im heutigen Luftverkehrssystem ist eine der Hauptaufgaben der Fluglotsen sowohl im En-Route-Bereich als auch während des Landeanfluges den Sicherheitsabstand zwischen den Flugzeugen zu überwachen und den Luftverkehr so zu führen, dass die Wirbelschlep-penabstände eingehalten werden. Durch das Konzept eines "Airborne Separation Assistance System" wird nun ein Technik implementiert, die zukünftig auch ohne Lotsen in der Lage ist, den Sicherheitsabstand zwischen zwei hintereinander fliegenden Luftfahrzeugen einzuhalten. Mit Unterstützung geeigneter Avioniksysteme wird dafür gesorgt, dass Luftfahrzeuge den vorgeschriebenen Separationsabstand nicht unterschreiten. Durch den Einsatz moderner Navigationssysteme wie GPS, GLONASS oder dem geplanten europäischen GALILEO lassen sich Luftfahrzeuge deutlich präziser navigieren und machen sie unabhängiger von bodengebunden Funkfeuern, die durch den Einsatz von Positionsbestimmungssystemen zwar nicht überflüssig werden, doch deren Anzahl sich in den nächsten Jahren vermutlich deutlich reduzieren wird. Auch die Kombination unterschiedlicher Navigationshilfen wird unserer Einschätzung nach eine deutliche Verbesserung der An- und Abflüge an technisch bisher nicht so gut ausgerüsteten Verkehrsflughäfen ermöglichen. Seit einigen Jahren werden Überlegungen angestellt, wie das satellitengestützte Ortungssystem GPS eventuell zur Verbesserung der Ortung und Führung des zivilen Luftverkehrs und des rollenden Verkehrs auf den Flughäfen genutzt werden könnte. Die erreichbaren Ortungsgenauigkeiten fliegender Luftfahrzeuge sind damit deutlich höher als die im operativen Einsatz befindlichen Radargeräte. So werden die "Automatic Dependent Surveillance Broadcast" Technologien aus unserer Sicht einen besonderen Schwerpunkt in der zukünftigen Flugführung und Überwachung darstellen. Neben der Positionsbestimmung und der Überwachung stellt der globale Luftverkehrt jedoch auch erhöhte Anforderungen an Such- und Rettungssysteme, die im Falle einer Havarie schnell und effizient zum Einsatz kommen müssen. Größtenteils unbemerkt von der Öffentlichkeit sind auch auf diesem Sektor die Techniken weiterentwickelt worden und befinden sich teilweise bereits im Einsatz, um mögliche Folgen für Menschenleben gering zu halten. Der Passagier sucht bereits beim Betreten des Flughafens nach geeigneten Orientierungspunkten, die im bei seinem Weg zum Gate behilflich sind. Aus diesem Grund haben wir einen Abschnitt eingefügt, der den aktuellen Stand der In-Door Navigationssystemtechnologie beschreibt. Da GNSS Signale in Gebäuden nur schwer oder gar nicht empfangen werden können, stellt die Positionsbestimmung innerhalb von Gebäuden eines der letzten großen Hindernisse der Navigation dar. Die Sensorfusion von GNSS und beispielsweise der Ortungsdaten von Mobiltelefonen in Verbindung mit Konzepten zur "RFID", wird hier wahrscheinlich die Entwicklungsrichtung der Zukunft sein. Aus wirtschaftlichen und sicherheits-technischen Motiven heraus ist die Verfolgung des Aufenthaltsortes von Personen und Gü-tern eines der Technologiethemen im Bereich Air Traffic Management. Logistikunternehmen sind sehr daran interessiert zu erfahren, wo sich gerade ihre Güter befinden, da sie diese so besser verfolgen können, es ihnen einen einfachen, direkten und Verkehrsträger übergreifenden Zugriff ermöglicht, sie die Historie sowie detaillierte Sendungsdaten bekommen und damit auch eine deutlich erhöhe Planungssicherheit erreichen. Neben dem eigentlichen Luftraum stellt auch die Runway einen besonderen Abschnitt im Verlauf eines Fluges dar, so dass die Flughafenbetreiber besonders darauf achten, dass sie die international anerkannten Standards für die Oberflächenbeschaffenheit einhalten. Dies gilt nicht nur für den baulichen Zustand der Landefläche als solche, sondern auch für den Oberflächenzustand, welcher bei widrigen Wetterverhältnissen erhebliche Unterschiede bei der Griffigkeit aufweisen kann. Besondere Sensoren werden hier in Zukunft den Runwayzustand überwachen, automatisch Lageberichte erstellen und in kritischen Situationen eine entsprechende Warnung an die verantwortlichen Betreiber und gegebenenfalls an die Piloten abgeben. Die genannten Technologien sowie deren Weiterentwicklung werden in Zukunft nur entsprechend eingesetzt werden können, wenn auch die Kommunikationstechnologien für den Datenaustausch vorhanden sein werden. Bereits seit einigen Jahren zeichnet sich ab, dass die heutige Kommunikationsinfrastruktur für die Flugführung (weitgehend analoger VHF-Flugfunk) den Anforderungen eines stetig wachsenden Luftverkehrsaufkommens nicht mehr gerecht wird. So stellen wir hier zum Abschluss dieses Kapitels die aktuellen Ansätze für neue digitale Kommunikationskonzepte für die Flugführung vor. Die Sicherheitslage und allgemeine –einschätzung hat sich in den letzten Jahren im Luftverkehr deutlich verschärft. Die Bestrebungen, nicht nur die "Safety" im Sinne einer technischen Sicherheit, sondern auch die "Security" im Sinne der Sicherheit gegenüber äußerer Bedrohung im gesamten Bereich der Luftfahrt deutlich zu erhöhen, sind verstärkt worden. Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahren internationale Projekte gestartet, die eine Übernahme von sich im Flug befindlichen Luftfahrzeugen verhindern sollen. Wohin diese Entwicklungen führen werden und mit welchen Einschränkungen der Passagier dadurch in den nächsten Jahren rechnen muss, können wir heute noch nicht komplett einschätzen. Die Entwicklungen in Richtung einer abgesicherten Navigation, um unbeabsichtigte elektromagnetische Störungen, Jamming oder auch Spoofing zu verhindern, sind jedoch genauso Bestandteil dieses Dokumentes wie die Sicherheitsüberwachung rund um einen Flughafen, auf dem Flughafenvorfeld sowie auch innerhalb der Flughafengebäude. In einem letzten Kapitel widmen wir uns der eher spekulativen Frage, wie sich unser gegenwärtiges Lufttransportsystem im Zeitraum der nächsten Jahrzehnte entwickeln könnte. Dabei bleibt nicht unerwähnt, dass Prognosen aus der Vergangenheit leider oftmals eine recht geringe Trefferquote aufwiesen. Dass sich der breiteren Einführung von automatisierten Systemen oftmals auch psychologische Hürden in den Weg stellen, wird zum Abschluss dieses Kapitels deutlich.
elib-URL des Eintrags: | https://elib.dlr.de/59364/ | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Dokumentart: | Berichtsreihe (DLR-Interner Bericht) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Titel: | ATM-Technik in Gegenwart und Zukunft | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Autoren: |
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Datum: | November 2007 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Open Access: | Nein | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Seitenanzahl: | 274 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stichwörter: | Air Traffic Management, Stand der Forschung, DLR, zukünftige Entwicklungen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Institution: | Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Abteilung: | Institut für Flugführung, Institut für Kommunikation und Navigation, Institut für Physik der Atmosphäre | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
HGF - Forschungsbereich: | Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
HGF - Programm: | keine Zuordnung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
HGF - Programmthema: | keine Zuordnung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
DLR - Schwerpunkt: | Luftfahrt | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
DLR - Forschungsgebiet: | L - keine Zuordnung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
DLR - Teilgebiet (Projekt, Vorhaben): | L - keine Zuordnung (alt) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Standort: | Braunschweig , Oberpfaffenhofen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Institute & Einrichtungen: | Institut für Physik der Atmosphäre Institut für Flugführung Institut für Kommunikation und Navigation | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hinterlegt von: | Temme, Dr.rer.nat. Marco-Michael | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Hinterlegt am: | 14 Jul 2009 09:40 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Letzte Änderung: | 28 Mär 2023 23:38 |
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