Treibstoffpreissicherung in der Luftfahrtindustrie – Ein Modell zur Analyse, Planung und Gestaltung von Treibstoffpreissicherungsstrategien

Kurzfassung

In zahlreichen Regionen der Welt agieren Fluggesellschaften in der Verkehrsluftfahrt auf umkämpften Wettbewerbsmärkten. Um sich in einem solchen Umfeld langfristig erfolgreich zu positionieren, ist es als Fluggesellschaft unumgänglich, existierende wirtschaftliche Risiken zu identifizieren, zu analysieren und bestmöglich zu begrenzen. Die zukünftige Entwicklung des exogenen Treibstoffmarktpreises, welche ex-ante unbekannt ist, stellt in diesem Kontext für Fluggesellschaften eines der größten wirtschaftlichen Risiken dar. Allerdings besteht für Fluggesellschaften in der Praxis die Möglichkeit, den individuell zu zahlenden Nettotreibstoffpreis durch den Einsatz von Finanzderivaten auf dem Kapitalmarkt vorab bereits so zu beeinflussen, dass dieser in der kurzen und mittleren Frist zu einer besser planbaren Größe wird. Gemäß aktuellen Studien machen zahlreiche Fluggesellschaften weltweit von dieser Möglichkeit zur aktiven Risikobegrenzung Gebrauch. Analysen in dieser Arbeit zeigen jedoch, dass real implementierte Treibstoffpreissicherungsstrategien von Fluggesellschaften sehr heterogen ausgestaltet sind und daher unterschiedlich auf den ökonomischen Erfolg von Fluggesellschaften einwirken. Herausforderungen beim Aufstellen einer Treibstoffpreissicherungsstrategie ergeben sich für Fluggesellschaften insbesondere deshalb, weil hierbei (1) die Güte des Schutzes vor einem Treibstoffpreisanstieg, (2) die Höhe der Zahlungen für (Versicherungs-) Prämien und (3) mögliche Limitierungen der Partizipation in Preisverfallsszenarien gegeneinander abgewogen werden müssen. Zudem sollte (4) die individuelle Fähigkeit, Treibstoffpreisänderungen in die eigenen Ticketpreise weiterzugeben, ebenfalls bei der Ausgestaltung einer Treibstoffpreissicherungsstrategie Berücksichtigung finden. Vor dem Hintergrund dieser Praxisbeobachtungen ist es das Ziel der Arbeit, ein aus der Finanztheorie abgeleitetes quantitatives Modell zur ex-ante Identifikation optimaler Treibstoffpreissicherungen für Fluggesellschaften aufzustellen. Da in einem solchen Modell optimale Treibstoffpreissicherungen unter Berücksichtigung ex-ante unsicherer zukünftiger Treibstoffpreise sowie ex-ante unsicherer zukünftiger Ticketeinzahlungen identifiziert werden, ist hierfür der Rückgriff auf Methoden der stochastischen Optimierung notwendig. Beim Aufstellen des Modells in dieser Arbeit wird zudem berücksichtigt, dass identifizierte Treibstoffpreissicherungen für die Praxis relevant sind und auf diese übertragen werden können. Nach der theoretischen Modellerstellung wird zur Verifikation und Validierung des aufgestellten Modells eine Simulationsstudie durchgeführt. Mittels dieser kann allgemein gezeigt werden, dass das aufgestellte Modell praktisch nutzbare Treibstoffpreissicherungen identifiziert und dass aus diesen Sicherungen mit hoher Glaubwürdigkeit auch in der Praxis ökonomisch relevante Vorteile für Fluggesellschaften resultieren. Konkret lässt sich zeigen, dass es für Fluggesellschaften grundsätzlich möglich ist, durch den Abschluss von Treibstoffpreissicherungen den Unternehmenswert zu steigern. Die Ergebnisse der Analyse deuten darauf hin, dass Treibstoffpreissicherungen in Phasen ausgeprägten Wettbewerbs den Unternehmenswert im Durchschnitt um etwa 1% verbessern. Die erzeugten Ergebnisse legen zudem dar, dass Treibstoffpreissicherungen theoretisch den Unternehmenswert in einzelnen Zeitpunkten relativ gar um mehr als 30% oder absolut um mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar erhöhen können. Darüber hinaus zeigt sich in der Simulationsstudie allerdings auch, dass in Abhängigkeit von den jeweiligen Rahmenbedingungen situativ die Entscheidung zur Nicht-Sicherung optimal sein kann. Für die Jahre 2015 bis 2019 identifiziert das Modell vielfach bereits ex-ante die Entscheidung zur Nicht-Sicherung als quantitatives Optimum. Diese vom Modell vorgeschlagene Strategie korrespondiert mit dem realen Verhalten der Fluggesellschaften American Airlines, Delta Air Lines und United Airlines, welche ebenfalls um das Jahr 2015 ihre Treibstoffpreissicherungsaktivitäten einstellten. Es ist in dieser Arbeit somit möglich, die realen Entscheidungen der drei Fluggesellschaften über ein aus der Theorie abgeleitetes Optimierungsmodell quantitativ fundiert zu begründen