Ohneiser, Oliver (2017) Migrationstolerante Transitionen von inkrementellen Displaystufen für Fluglotsen. DLR-Forschungsbericht. DLR-FB-2017-5. Dissertation. Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig. 213 S.
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Kurzfassung
Aktuelle Mensch-Maschine-Schnittstellen der Flugsicherung haben Produktlebenszyklen von ca. 20 Jahren. Damit häufiger Neuerungen in operationelle Lotsen-Displays integriert werden können, die Fluglotsen bei ihrer Arbeit helfen, müssten die betreffenden Systeme flexibler und weniger monolithisch aufgebaut sein. Mit der Einführung innovativer Luftverkehrstechnologien und Luftfahrzeugfähigkeiten besteht jedoch die Möglichkeit Lotsen immer stärker bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Potentiale liegen beispielsweise in der Nutzung von Daten der Flight Management Systeme auch am Boden, über einen Bord-Boden Data Link verhandelte vier-dimensionale Trajektorien sowie eine zeitlich und räumlich präzisere Navigation. Dies geht einher mit kerosin-, kohlendioxid- und lärmreduzierten Anflugverfahren. Gleichzeitig soll sich, wie in verschiedenen Luftfahrtentwicklungsprogrammen (SESAR und NextGen) vorgesehen, die Arbeitsweise der Lotsen spätestens bis zum Ende des Jahrzehnts in drei Schritten vom abstandsbasierten über zeit-, trajektorien- hin zum leistungsbasierten Luftverkehrsführungsansatz ändern. Diese Änderungen werden mit steigenden Anteilen von Monitoringaufgaben des Lotsen einhergehen. Zur Unterstützung der Lotsenarbeit müssen in der jeweiligen Phase auch angepasste Assistenzfunktionalitäten in die neu zu konzipierenden Displays integriert werden. Üblicherweise wird ein neues Lotsenarbeitsplatzsystem, und damit auch die zentralen Displays, in einer umfassenden Integration zu einem Zeitpunkt eingeführt („Big-Bang-Integration“). Am Beispiel der Einführung von VAFORIT (Very Advanced Flight Data Processing Operational Requirement Implementation) bei der DFS in Karlsruhe hat sich gezeigt, dass zum sicheren Erlernen der neuen Umgebung und zur Vermeidung von Akzeptanzproblemen zuvor ein erheblicher Schulungsbedarf für Lotsen besteht. Eine derart weitreichende und aufwändige Umstellung der Lotsenumgebung soll laut DFS zukünftig vermieden werden. Aus dieser Problemstellung leitete sich die Forschungsfrage der Dissertation, ob es durch ein migrationstolerantes Design von Mensch-Maschine-Schnittstellen für Lotsenarbeitsplätze möglich ist, den Nutzer mit Hilfe von Transitionen einfacher und schneller auf sich verändernde Nutzungsanforderungen einzustellen, ab. Zur Vermeidung von Big-Bang-Integrationen und zur schnelleren Eingewöhnung für Lotsen wurde in dieser Arbeit ein Konzept für eine migrationstolerante Mensch-Maschine-Schnittstelle am Beispiel des Anfluglotsenarbeitsplatzes entwickelt. Diese soll Nutzern mit kleinen Lernschritten, bei denen sich jeweils nur ein logisches Anzeigeelement ändert, die Übergänge zwischen veränderten Arbeitsweisen mit verschiedenen inkrementellen Displaystufen erleichtern. Begründet auf die Einführungen von neuen Technologien resultiert eine modifizierte Art der Luftraumüberwachung mit veränderten Lotsenrollen wie Monitoring- und Executive-Arbeitsplatz mit jeweils unterschiedlichen Displays. Ein Satz von Displaystufen wurde in dieser Arbeit prototypisch implementiert, um vom abstands- zum leistungsbasierten Luftverkehrsführungsansatz zu gelangen. Dabei fand in neun Iterationen eine Abkehr von heutigen geografietreuen radarbasierten Displaydarstellungen des Luftraums und der Luftfahrzeugpositionen unter Zuhilfenahme von Designmetaphern statt. Basierend auf der heutigen Arbeitsweise der Flugsicherung wurden im Zuge der fortschreitenden Displaystufen dieses Konzepts zunächst Distanzen in nautischen Meilen auf allen Standardanflugrouten zur besseren Separationsabschätzung markiert. In der zweiten Stufe erfolgte die Einführung einer Symbolik für Anflugrichtungen. Im Weiteren wurden Routen im Außenbereich der Terminal Maneuvering Area auf dem Monitoringdisplay begradigt und die Routenwinkel homogenisiert. Ab der fünften Stufe erhielten dargestellte Routen eine komplett rechtwinklige Struktur. In der folgenden Displaystufe wurde der gesamte Luftraum in eine landebahnabhängige Horizontale gedreht. Anschließend erfolgte eine Symbolisierung von Luftfahrzeugeigenschaften durch Farb- und Formkodierung für eine leistungsbasierte Optimierung. In der achten Stufe wurden Merge-Punkte für eine parallele Routen-Struktur gestreckt. Bei der letzten Iteration fand ein Umklappen aller Routen auf eine Seite der Landebahn für eine orthogonale Struktur statt, sodass Luftfahrzeuge sich daran entlang weitestgehend parallel und unidirektional nur von einer Displayseite auf die andere bewegen. Einige aktuell häufige Aufgaben wie das Herstellen der Mindestseparation zwischen Luftfahrzeugen werden zukünftig seltener oder mit weniger Aufwand von Lotsen zu lösen sein. Das daraus resultierende Monitoringdisplay soll mit seiner komplexitätsreduzierten Darstellungsweise kognitive Ressourcen für neue Lotsenaufgaben freisetzen. Wesentliches Element zur Einführung eines zeitbasierten Luftverkehrsführungsansatzes ist die Einführung dafür erforderlicher Funktionen. Im Zuge dieser Arbeit wurden dazu Technologien wie Trawl-Net und TargetWindow, die in allen Displaystufen Anwendung finden können, prototypisch umgesetzt und getestet. Neben dem iterativen Feedback durch die Nutzer während des Konzept- und Entwicklungsprozesses wurde eine Evaluationsstudie zum Displaysatz mit Fluglotsen durchgeführt. Die Benutzerfreundlichkeit und Transitionen des Displays wurden von der Probandengruppe mit neun Zwischenschritten vor allem in höheren Displaystufen wesentlich positiver bewertet als von der Gruppe mit zwei großen Transitionen. Der Vergleich der Probandenbewertungen bzw. des Lernerfolgs beider Gruppen zeigt, dass neue Funktionalitäten in Lotsendisplays in mehreren Einzelschritten anstelle eines oder weniger großer Schritte eingeführt werden sollten. Mit Hilfe der neun Transitionen wurde auch evaluiert, welche Größenordnung für die Displayzwischenschritte angemessen ist. Das Optimum der Lernschrittweite zwischen den zehn einzelnen Displayentwicklungsstufen zum leichteren Erlernen wurde mit den meisten Transitionen des implementierten Konzepts sehr gut getroffen. Über alle Displayschritte hinweg konnte kein negativer Einfluss auf die Beanspruchung und das Situationsbewusstsein des Nutzers gegenüber der Baseline-Implementierung eines heutigen abstandsbasierten Radardisplays festgestellt werden. Die Aufgabe des Monitorings eines teilautomatisierten Flugverkehrs mit Planung und Delegation konnten die Lotsen trotz des Kontrastes zu heute ständig aktiv anzuweisenden Führungskommandos erfüllen. Die fortgeschrittenen Displays ermöglichten ihnen beispielsweise eine schnellere Erkennung von Konflikten. Die migrationstoleranten Displaystufen haben ihre grundsätzliche Eignung für einen operationellen Einsatz demonstriert und werden nach weiteren zukünftigen Entwicklungsschritten ihre Praxistauglichkeit aufzeigen können. Zusammen mit den ebenfalls in einer Studie positiv evaluierten Teilkonzepten des TargetWindows und Trawl-Nets wurde gezeigt, wie die drei „Steps“ zu einem zeit-, trajektorien- und leistungsbasierten Luftverkehrsführungsansatz umgesetzt werden können. Die migrationstoleranten Displaystufen mit der schrittweisen Einführung neuer Displayelemente sind folglich ein geeignetes Konzept, um zukünftigen Herausforderungen des Luftverkehrsmanagements zu begegnen. Im Weiteren ergebe sich daraus Forderungen an die technische Human Machine Interface-Entwicklung hinsichtlich des Entwicklungsprozesses, der Entwicklungswerkzeuge sowie des Lebenszyklus’ einzelner Displayvarianten, um die positiven aufgezeigten Aspekte umzusetzen.
elib-URL des Eintrags: | https://elib.dlr.de/111165/ | ||||||||
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Dokumentart: | Berichtsreihe (DLR-Forschungsbericht, Dissertation) | ||||||||
Zusätzliche Informationen: | NFL-Forschungsbericht 2017-01 | ||||||||
Titel: | Migrationstolerante Transitionen von inkrementellen Displaystufen für Fluglotsen | ||||||||
Autoren: |
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Datum: | 16 März 2017 | ||||||||
Referierte Publikation: | Nein | ||||||||
Open Access: | Nein | ||||||||
Seitenanzahl: | 213 | ||||||||
ISSN: | 1434-8454 | ||||||||
Status: | veröffentlicht | ||||||||
Stichwörter: | Flugsicherung; Mensch-Maschine-Interaktion; Migrationstoleranz; Transition; Monitoring; Displaystufe; Orthogonalität; Unidirektionalität; Ergonomie | ||||||||
Institution: | Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig | ||||||||
Abteilung: | Institut für Flugführung | ||||||||
HGF - Forschungsbereich: | Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr | ||||||||
HGF - Programm: | Luftfahrt | ||||||||
HGF - Programmthema: | Luftverkehrsmanagement und Flugbetrieb | ||||||||
DLR - Schwerpunkt: | Luftfahrt | ||||||||
DLR - Forschungsgebiet: | L AO - Air Traffic Management and Operation | ||||||||
DLR - Teilgebiet (Projekt, Vorhaben): | L - Effiziente Flugführung (alt) | ||||||||
Standort: | Braunschweig | ||||||||
Institute & Einrichtungen: | Institut für Flugführung > Lotsenassistenz | ||||||||
Hinterlegt von: | Ohneiser, Oliver | ||||||||
Hinterlegt am: | 22 Mär 2017 14:39 | ||||||||
Letzte Änderung: | 02 Nov 2017 16:46 |
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